Internationales Kolloquium

Senghor im 21. Jahrhundert: Rezeptionsdynamiken, kulturelles Erbe und aktuelle Lektüren

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Ce que Senghor apporte au XXIe siècle Dynamiques de réception, héritage et lectures actuelles

 

Internationales Online-Kolloquium / Colloque international en ligne

17. und 18. Juni 2021 / 17 et 18 juin 2021

 

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Senghor bei dem Besuch der Mainzer Janheinz Jahn-Bibliothek für moderne afrikanische Literatur (heute Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen) 1977 ©unbekannt

In seiner 2006 anlässlich des 100. Geburtstags erschienen wissenschaftlichen Biographie zu Léopold Sédar Senghor merkte János Riesz an, dass „Orphée noir“, Jean Paul Sartres Vorwort in der durch Senghor herausgegebenen Anthologie de la nouvelle poésie nègre et malgache de langue française, den Eintritt der Négritude in die Weltliteratur markierte.

Vor allem aber setzte dieser Text eine ideologiegesteuerte Rezeptionsdynamik in Gang, die den Diskurs zu Senghor und seinen Werken während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beherrschte und deren unvoreingenommene Betrachtung in Afrika wie in Europa verhinderte.

Senghor, der junge, politisch aktive senegalesische Intellektuelle, Poet und Essayist der 1930er Jahre, steht seitdem als unumgängliche Stimme der Unabhängigkeitszeit im Scheinwerferlicht. Ursprünglich Anhänger eines französischen Föderalismus ohne Segregation, wird er zum Baumeister der senegalesischen Unabhängigkeit und der erste Präsident des Landes, das er, mangels eben dieses oben genannten politischen Föderalismus, zu einem ‚kulturellen Föderalismus‘ mit Frankreich führen will. Sein im November 1962 in der Zeitschrift Esprit veröffentlichter Essay „Le français, langue de culture“ wird im Gedächtnis bleiben und ihn zum verehrten wie gehassten ‚Gründungsvater‘ des Frankophonie-Gedankens machen.

Während Senghor einerseits seit den 1960er Jahren bezüglich seiner institutionellen Rezeption in Frankreich und Deutschland einen europäischen Mythos Afrikas verkörpert und in einem angespannten Kontext 1968 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, so war und ist er teils immer noch andererseits für einige afrikanische Intellektuelle und Politiker ein Symbol der fortdauernden kolonialen Dominanz, die es endgültig zu überwinden gilt.

Während ihn einige somit als eine mächtige Stimme der Négritude-Bewegung und Verfechter einer ideellen Frankophonie schätzen und seine kraftvolle Poetik und humanistische Politik preisen, prangern ihn andere, teils aus denselben Gründen, als Assimilierten und Mitläufer eines rassistischen und universalistischen Weltbildes an, manche sehen in ihm gar den Agenten eines neokolonialen Frankreich. Die Mehrzahl dieser antagonistischen Wahrnehmungen der Person Senghors und seines Werks haben jedoch gemeinsam, dass keine oder eine ausgesprochen einseitige Kontextualisierung seines Oeuvres und seiner Handlungen erfolgt Die polemische Rezeption seines Ausspruchs « L’émotion est nègre, comme la raison est hellène » (1939), der ihm immer noch vorgeworfen wird, ist hierfür emblematisch.

In der jüngeren Vergangenheit haben afrikanische und europäische Wissenschaftler verschiedener Disziplinen (Kunstgeschichte, Soziologie, Ökonomie, Ethologie, Philosophie und andere) eine Neubewertung von Senghor in einem ideologiefreien Rahmen angestoßen, gerade auch hinsichtlich seines kulturellen wie politischen Erbes im 21. Jahrhundert.

Das vom 17-18. Juni 2021 vom Zentrum für Frankreich- und Frankophoniestudien (ZFF) der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz organisierte internationale und interdisziplinäre Kolloquium verfährt daher anhand zwei thematischer Achsen:

  • Es gilt die Senghors Denken und Werken innewohnende Dynamik zu verstehen, welche zu der zwischen Verehrung und radikalen Ablehnung gespaltenen Rezeption geführt hat. Zum einen geht es also um eine strikte Historisierung von Senghor Schaffen, zum andern um die Frage, inwiefern der historische Kontext seiner Rezeption im 20. Jahrhundert, Dekolonialisierung, Unabhängigkeit und Postkolonialismus, zu einer Verengung bei der Betrachtung seines Werks geführt hat.
  • Es gilt eine Betrachtung seines Werks jenseits dieser historischen Frontlinien aus einer aktuellen Perspektive zu gewinnen und zu fragen, was es im und für das 21. Jahrhundert beisteuern kann, vor allem im Hinblick auf neue Konfigurationen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Anthropologie sowie in zeitgenössischer Kunst und Literatur.

 

Programm (zum Vergrößern hier klicken)

 

 

Das Kolloquium wird in digitaler Form und mit Simultandolmetschung  stattfinden -  die Anmeldung erfolgt über die Geschäftsstelle des ZFF:  zff@uni-mainz.de